Eine Hexenaustreibung. Es wage keiner mehr zu behaupten, man lebe in einer aufgeklärten Zeit. Aus Folgendem, das uns von einem als zuverlässig bekannten Mitarbeiter als wahr verbürgt wird, ist zu entnehmen, wie weit der Aberglaube noch unter den Leuten, namentlich auf dem Lande herrscht. Eine Frau in einem größeren Dorfe wollte seit längerer Zeit wahrgenommen haben, daß ihr Rindvieh nicht mehr so recht gedeihe. Ihr fiel namentlich auf, daß eine junge Kuh von Tag zu Tag magerer wurde. Wenn sie butterte erhielt sie statt der Butter weißen Schaum. Auch hatte sie eines Tages zu mitternächtiger Stunde eine Person aus ihrem Viehstalle sich eiligst entfernen sehen, und als sie näher zusah, entdeckte sie im Stalle einen alten Topf, enthaltend eine Unmenge alter verrosteter Stecknadeln, Nägel, Haare, Wolle, Papierfetzen und dergl. Die nichterkannte Person hatte, so meinte man nun, die Absicht gehabt, den Topf mit seinem Inhalte unter der Schwelle des Stalles zu vergraben, war aber dabei offenbar gestört worden. Was lag nun näher, als daß das Vieh verhext war? Und um die böse Absicht der Hexe zu vereiteln, mußte schleunigst etwas getan werden. Glücklicherweise wußte die arme Frau Rat. In der Stadt Guben ist ja eine "kluge Frau", die sich auf so etwas versteht. Sie wird geholt, und es wird nun folgender Hokuspokus getrieben: Von einem Grenzraine und vom Kirchhofe müssen 10 Mittel, wie verwittertes Holz, Kräuter, Holz von alten Grabkreuzen, alte Totenkränze u. dergl. gesammelt werden. Damit wird der Stall gehörig ausgeräuchert. Weiter werden aus der Apotheke 5 Mittel beschafft, damit wird, nachdem sie durch Kochen vorbereitet sind, das Vieh "verwaschen". Daß bei alledem auch die nötigen Sprüchlein und Formeln hergesagt werden, ist selbstverständlich. Nachdem nun noch der klugen Frau als Honorar 10 Mark für ihre Bemühungen ausgezahlt waren, war der Stall von allem Unrat gesäubert. Das Vieh gedeiht nun wieder zu aller Freude, und neues Glück ist darin eingezogen. Zum Schluß soll auch noch bemerkt werden, daß die kluge Frau nicht unterlassen hat zu verraten, wer das Vieh verhext hat, nämlich die Person, die in den nächsten neun Tagen in das Haus tritt, um sich etwas zu borgen. Leider ist das nicht an die Öffentlichkeit gelangt, denn sonst wäre diese Person an den Schandpfahl gekommen. - Rein mittelalterliche Zustände!