Russische Kriegsgefangene bei Guben. Gestern abend zwischen 9 und 10 Uhr wurde es in der Stadt bekannt, daß der erste Transport russischer Kriegsgefangener auf dem Bahnhof angekommen ist. Die dritte Kompagnie des hiesigen Landsturmbataillons wurde sofort alarmiert und mit fröhlichem Gesang marschierte sie um 10 Uhr vom Schützenhause zum Bahnhof, wo die Russen – es waren 1800 Mann – in Empfang nahm. Die mitgekommenen leicht verwundeten wurden in Guben ins Lazarett gebracht, während die übrigen unter der Bedeckung unserer Landsturmmänner in geschlossenem Zuge transportiert wurden; gegen 2 Uhr gelangte man dort an und verbrachte die Nachtstunden auf dem Felde, so gut es ging. Am Bahnhof, an der Seite des neuen Viehmarktes, standen zahlreiche Menschen und staunten die Gefangenen an. Hier und da konnte man es nicht unterlassen, ungehörige Bemerkungen zu machen, allen Ausfällen wurde aber von vernünftigen Leuten sofort energisch entgegengetreten.
Heute morgen entwickelte sich im Lager schon in frühen Stunden ein reges Leben, denn die Gefangenen mußten sich an den Arbeiten zur Herstellung der Baracken beteiligen. Das Lager ist in einem weiten Umkreise durch einen hohen Stacheldrahtzaun abgegrenzt. Der Zutritt ist streng verboten. Vor dem Eingang standen nur wenige Zuschauer und schauten dem Treiben, das immerhin etwas Charakteristisches an sich hat, zu. Alle Gefangenen gehörten der Infanterie an, die u.a. der Armee von Hindenburg gegenüber stand und von ihr so siegreich überwunden wurde. Man sieht auf den grau-grünen Uniformen und Mänteln die verschiedensten Regimentsnummern. Im allgemeinen machen die Gestalten keinen schlechten Eindruck, wenn auch verschiedene stupide und stumpfsinnige Physiognomien sichtbar werden, so gehört doch der weitaus größere Teil zu den intelligenteren Soldaten. Es sind mehrere dabei, die geläufig deutsch sprechen, daher ist eine gute Verständigung zwischen dem Kommando und den Gefangenen möglich. Die Verpflegung auf dem langen 24stündigen Transport war sehr knapp, sodaß die Russen argen Hunger verspürten, der auch heute vormittag von ihnen noch geäußert wurde. Soweit es möglich war, wurde ihnen warmes Getränk verabreicht, Brot kam erst gegen 11 Uhr an, über das sie dann begierig herfielen.