Das Testament: Daß nicht allein die Phantasie ewig neu bleibt, sondern auch das Leben eigenartig Neues bietet, beweist folgendes seltsame, einzig dastehende Erlebniß des jüngst verstorbenen Amtsgerichtsraths R. in einem mittelschlesischen Städtchen.
Eines Tages wurde der genannte Herr in eine entlegene Ortschaft zur Aufnahme eines Testaments gebeten. Nachdem der begleitende Referendar den Schriftsatz den gesetzlichen Bestimmungen gemäß fertiggestellt hatte, wurde die Testirende, eine bejahrte Wittwe, aufgefordert, anzugeben, wo die Vermögensobjekte, über die sie eben Bestimmung getroffen hatte, angelegt habe resp. ob sie überhaupt vorhanden seien. Die Frau gerieth darob in Erstaunen und meinte:" Vermögen habe ich keins. Ich dachte, wenn das Gericht ein Testament aufnimmt, dann bringen die Herren vom Gericht das Geld auch mit." - Der Herr Amtsgerichtsrath soll von dieser Stunde an bei der Aufnahme von Testamenten ein anderes Verfahren eingeschlagen haben.