23. Januar 1903

Das bekannte russische Sprichwort: "Je mehr Wächter man hat, je mehr wird man bestohlen", fand, wie aus Petersburg der "Kgsbg. Hart. Ztg." geschrieben wird, eine überaus drastische Illustration durch einen fast unglaublichen Diebstahl im kaiserlichen  Schloß Peterhof. Man muß es den Russen lassen, daß alles, was sie thun, einen Zug ins Große aufweist, sogar das Stehlen.

Vor einigen Jahren wurde eine Lokomotive gestohlen, etwas später ein Dreimastvollschiff, und in Bessarabien bilden ganze Pferdeherden willkommenen Diebesbeute.

Die Entwendung des größten Theiles der Dekorationen aus dem kaiserlichen Theater dürfte auch noch in Erinnerung sein; aber der neueste Fall übertrifft alle vorausgegangenen Leistungen an Großartigkeit. Im Schlosse Peterhof ist eingebrochen worden, und was fiel wohl den Dieben zum Opfer? Kunstwerke und Antiquitäten, die ein einzelner überhaupt nicht vom Platze hätte bewegen können wegen ihrer Schwere und starken Befestigung an der Wand oder im Boden. Es muß also viel Lärm gemacht worden sein, ohne daß einer der gerade in Peterhof  besonders zahlreichen Wächter das Geringste merkte.

Fast hinter jedem Baume steht ein Militärposten und auf den Gängen wimmelt es von Lakaien und Kammerdienern. Erst am Morgen sah man die Bescheerung. In einem der Säle war alles von unterst zu oberst gestürzt. Die schönsten Statuen und Statuetten, eine Uhr von unschätzbarem Werthe und kostbare Bronzegegenstände fehlten. Von solchen Werken, die den Dieben zu schwer waren, hatten sie einzelne Theile, Arme, Köpfe usw. abgebrochen, um das Metall wenigstens zu verwerthen.

Als das Verbrechen bekant wurde, gerieth natürlich alles in die größte Aufregung. Der Oberpolizeimeister kam sofort mit einer großen Anzahl Gendarmen und Geheimpolizisten nach dem Schlosse, ließ alle Ausgänge besetzen und jedes Haus im Orte durchsuchen. Endlich glückte es, die Diebe zu entdecken; es waren Bauern aus den umliegenden Dörfern, eine ganze Bande, der es gelang, unbemerkt in das Schloß einzudringen. Man fragt sich, wie so etwas möglich gewesen sei. Entweder haben die Leute im Einverständniß mit Personen im Schlosse gehandelt oder der Wachtdienst ist überaus nachlässiger. Jedenfalls zeigt dieser Vorfall, daß den Zaren und sein Eigenthum selbst eine lebende Mauer nicht vor äußeren Eingriffen zu schützen vermag.

 

Kindersegen: Aus Brühl im Landkreis Köln wird berichtet: Einen Rekord im Kindersegen hat jedenfalls der Fuhrmann Engels in Kardorf aufgestellt. Er meldete dieser Tage sein dreißigstes Kind auf dem Standesamte. Engels ist zum zweitenmal verheirathet; aus der ersten Ehe stammen 17, aus der zweiten 13 Kinder. Sein Haus ist ihm begreiflicherweise zu klein geworden und der 60jährige Mann muß sich nach einer größeren Wohnung umsehen.