25. Juli 1901 

Die hiesigen Fernsprechtheilnehmer sind zum Sprechverkehr mit Altona (Elbe), Bergedorf, Blankenese, Brandenburg (Havel), Dessau, Hamburg und Harburg (Elbe), zugelassen worden. Die Sprechgebühr beträgt 1 Mark.

 

Die Schaustellung von Barnum & Bailey gab, wie bereits mitgetheilt, statt der angekündigten zwei Vorstellungen nur eine, und zwar um 2 Uhr Nachmittags, eine nicht sehr günstige Zeit. Mehrere tausend Menschen waren trotzdem und trotz der Hitze hinausgewandert. Zunächst gelangte man in das große Manegeriezelt, das thatsächlich eine prachtvolle zoologische Ausstellung enthält. Man sieht dort, wie bereits gestern erwähnt, eine Schaar Kameele und eine beträchtliche Anzahl riesiger Elephanten. Ferner Raubthiere aller Art, kostbare Vögel und andere lebende Wesen aus allen Zonen, die zum Theil in mit reichen Verzierungen geschmückten Wagen untergebracht sind. Ferner befindet sich in diesem Zelte in der Mitte auf einer erhöhten Schaubühne eine Anzahl menschlicher Mißgeburten und Abnormitäten, die in Amerika wohl mehr Anziehungskraft ausüben als in Deutschland, wo die meisten dieser zur Schau gestellten Menschen für unglückliche Wesen angesehen werden, die unser Mitleid verdienen. Von diesem Zelt gelangt man in das große Zelt für die Schaustellungen, das in seiner Größe selbst die höchsten Erwartungen übertrifft. Die paar tausend Menschen verschwanden geradezu in diesem Riesenraume; viele tausende Plätze blieben unbesetzt. Amphitheatralisch bauen sich die Sitze rings auf, so daß man wohl von jedem Platze aus gut sehen kann – wenn das Auge soweit reicht. Drei Manegen und dazwischen zwei Bühnen sind aufgestellt, und es kommt oft vor, daß nicht nur an allen diesen zu gleicher Zeit gearbeitet wird, sondern daß man auch noch an den zahllosen Seilen, Trapezen und Strickleitern u.s.w., die von oben herabbaumeln, überall arbeitende Künstler sieht. Das Auge vermag der Fülle und Mannigfaltigkeit des Dargebotenen gar nicht zu folgen, und während man seine Aufmerksamkeit einer Production zuwendet, die man gerade ins Auge gefaßt, wird man durch lauten Beifall von der anderen Seite darüber belehrt, daß dort ein Kunststück ausgeführt worden ist, das man völlig übersehen hat. Von Akrobaten wimmelt es in der Luft und auf dem Boden. Keine Pause giebts, ununterbrochen reiht sich eine Production an die andere an drei, vier, einem halben Dutzend verschiedenen Stellen, sodaß die Zuschauer kaum zu Athem kommen und nicht wissen, wohin sie ihre Aufmerksamkeit wenden sollen. Was nun die Güte der Leistungen anbetrifft, so werden fleißige Cicusbesucher gewiß schon speziell die Reitkünste ebenso gut und besser in den bekannteren deutschen Circussen gesehen haben. Hier, bei Barnum und Bailey, soll die Masse wirken, die Güte der einzelnen Productionen leidet darunter, allerdings nicht immer, so z.B. leisten die Luftakrobaten Außerordentliches. Auch die rätselhaften Bewegungen eines Menschen in der geschlossenen Kugel, der waghalsige Rutsch eines Japaners auf einem Seil von fast ganz oben zur Erde und vieles andere, was wir gar nicht aufzählen können, sind durchaus interessante Leistungen. Viele dieser Productionen bekommt man in größeren Spezialitätenbühnen gewiß ebenfalls zu sehen, in solcher Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit allerdings nicht. Mit zum Besten gehörten die verschiedenen Wettrennen in dem großen freien Raum zwischen Manegen und Bühnen und dem Zuschauerraum, wobei sich nur das Terrain stellenweise etwas hinderlich erwies. Das Terrain bildete überhaupt den wunden Punkt und hat bekanntlich auch die Direktion veranlaßt, die Abendvorstellung ausfallen zu lassen. Da sie selber den größten Schaden davon hatte, indem für die zweite Vorstellung mit Sicherheit auf einen viel stärkeren Besuch zu rechnen war und der Circus nun doch einmal aufgebaut war, wird man ihren Angaben wohl Glauben schenken müssen, daß sie lediglich der in der That miserablen Zufuhrwege und des sandigen unebenen Terrains wegen die Abendvorstellung ausfallen ließ, um noch bei Tage die Wegschaffung des gesammten Materials zu ermöglichen; das Wegräumen erforderte hier trotzdem viel mehr Zeit, als die Circusleitung gewöhnt ist; wäre Abends noch gespielt worden, so wäre der ganze genau festgelegte Reiseplan gefährdet worden. Ist uns doch von Augenzeugen versichert worden, daß bis 22 starke Lastpferde vor einen Wagen gespannt werden mußten, um ihn auf festen Boden zu schaffen. Die zahlreichen Besucher von auswärts, die gegen Abend eintrafen, waren allerdings nicht wenig entrüstet, daß ihre Reise umsonst war. So mangelhaft das Terrain war, ein Uebelstand hätte unseres Erachtens aber doch beseitigt werden müssen; der Zugang führte von der Straße weg direkt über eine Schuttabladestelle, auf der noch allerlei Gerümpel, Topf- und Glasscherben und dergl. lag; über alles das musste das Publikum hinweg. Wen hier die Schuld trifft, wissen wir nicht, halten es aber für eine große Rücksichtslosigkeit, daß diese Stelle nicht gesäubert worden war.