2. Juni 1911

Der Juni, der von den alten Römern der jungfräulichen Juno geweiht war, zeigt uns das Naturleben in seiner vollkommensten Entwicklung. Im Kalender Karls des Großen heißt er Brachmonat, weil bei der Dreifelderwirtschaft damals das brachliegende Feld bearbeitet wurde. Weil im Juni der Sommer beginnt, wird er auch der Sommermonat genannt, und Rosenmonat heißt er, weil jetzt die Rosen in üppigster Blüte prangen. Sonnig und trocken muß der Juni sein, wenn er dem Landmann gefallen soll; denn

Was im September soll geraten, das muß schon im Juni braten.

Dagegen :

Wenn kalt und naß der Juni war, verdirbt er meist das ganze Jahr.

Der Juni ist bei uns derjenige Monat, der uns, wenn er nicht verregnet, den angenehmsten Aufenthalt im Freien bietet. Im Juni sind die kalten Nächte, die der Mai oft noch bringt, geschwunden, und die allzu glutvolle Hitze, die gewöhnlich im Juli herrscht, kündigt sich erst leise an. Weiter ist er der Monat der Erdbeeren und der Gemüse, die gerade jetzt von reinster Zartheit sind, die Schwelgezeit aller Verehrer einer duftenden Erdbeerbowle – und wer sollte das nicht sein! – die schönste Zeit aller Gemüsefreunde.