31. Mai 1906

Von einem tödlichen Unglücksfall, der sich am Sonntag bei dem Kriegervereinsfest in Reichenbach durch einen Böllerschuß ereignet haben soll, war in der in Forst erscheinenden sozialdemokratischen Volksstimme zu lesen. Trotz sorgfältiger Erkundigungen konnten wir über einen solchen Unfall nicht das Geringste ermitteln. Die Sache hat jetzt ihre Aufklärung gefunden. Die Märkische Volksstimme ist in eine Falle gegangen, die ihr das Forster Tageblatt gestellt hatte.

In dem Forst. Tagebl. lesen wir unter dem 29. Mai:

     Einen bösen Reinfall hat die hiesige „Märkische Volksstimme“ zu verzeichnen. Der Redaktion des „Forst. Tagebl.“ war es in letzter Zeit aufgefallen, dass wiederholt Nachrichten, die sie von ihren auswärtigen Berichterstattern erhalten hatte, an demselben Tage mit kleinen Änderungen in der „Märk. Volksstimme“ abgedruckt waren. Auch die betr. auswärtigen Korrespondenten machten die Redaktion  auf diese auffällige Tatsache aufmerksam, sie schrieben natürlich nur für das Tageblatt. Um nun der Sache auf den Grund zu gehen, wurde einer unserer Gubener Korrespondenten  beauftragt, eine fingierte Nachricht an uns gelangen zu lassen. Und richtig: gestern früh erhielten wir eine Postkarte mit der Nachricht von einem Unglücksfall bei einem Fahnenweihfest des Kriegervereins in Reichenbach, wobei der Bauernsohn Karl Schmidt  beim Abgeben eines Böllerschusses  verunglückt und auf dem Transport verstorben sein sollte, und prompt erfolgte gestern der Abdruck der erfundenen Notiz in der „Märk. Volksstimme“. – Wer war der Schuldige? Wer hat sich diesen groben Vertrauensmißbrauch  zuschulden kommen lassen? Wer hat die Nachricht dem sozialdemokratischen Blatte übermittelt? Ganz aufgeklärt ist diese Angelegenheit noch nicht. Ein Setzer der Tageblatt-Druckerei will, wie er nach vorherigem Leugnen zugab, gestern mittag mit einem „guten Freunde“ namens „Lehmann“ auf der Strasser von dem Unglücksfall Mitteilung gemacht haben. Leider ist dieser gute Freund, auch mit Hilfe der Polizei, bisher nicht zu ermitteln gewesen. Die Redaktion der „Märk.Volksst.“ allein ist im Stande, Aufklärung darüber zu geben, besonders vom wem sie die betr. Nachricht erhalten hat.     Vielleicht verhilft sie uns dazu, den „Freund Lehmann“ ausfindig zu machen.

Das Pfingstfest fällt in diesem Jahr spät, allerdings nicht so spät, wie im vorigen Jahr, wo der Pfingstsonntag auf den 11. Juni traf, also ganz dicht an die überhaupt mögliche äußere Grenze. Der allerspäteste Termin, auf den Pfingsten treffen kann, ist der 13. Juni. Von den Lesern unseres Blattes werden nicht allzu viele diesen äußersten Termin erleben, denn er tritt erst im Jahre 1943 ein. Auch den überhaupt möglichen frühesten Termin, nämlich den 10. Mai, wird schwerlich eine Leser erlebt haben, noch erleben, denn zum letzten Mal fiel Pfingsten auf den 10. Mai im Jahre 1818 und dies wird sich im Laufe unseres Jahrhunderts  nicht wiederholen. Dicht heran kommen wir allerdings im Jahre 1913, wo wir Pfingsten am 11. Mai begehen werden.