31. März 1910

Über körperliche Züchtigungen in der Volksschule ist ein Erlaß des Ministers ergangen, der in folgenden zehn Merksätzen gipfelt: 1. Das Recht der körperlichen Züchtigung soll dem Lehrer nicht genommen werden. 2. Ehrensache des Lehrers muß es sein, die Anwendung der Körperstrafe in seiner Schule auf ein Mindestmaß zu beschränken. Missbrauch des Züchtigungsrechts verrät mangelhafte pädagogische Durchbildung. Die Körperstrafe ist kein geeignetes Mittel zur Beförderung des Lernens. 5. Sie soll nie angewandt werden, ohne daß zuvor der etwaige Einfluß häuslicher oder physiologischer Verhältnisse auf das  Verhalten der Schüler gewürdigt worden ist. 6. Die Körperstrafe darf in ihrer Anwendung weder die Gesundheit des Schülers schädigen, noch seine Ehre antasten, noch die Schamhaftigkeit verletzen. Überschreitung des Züchtigungsrechts führt nicht selten vor die Schranken des Gerichts, auch wenn sie nur im Eifer, in Aufregung oder in der Entrüstung geschehen ist.. 8. Der Lehrer soll darum zum Schutze nicht nur der Schüler, sondern auch seiner eigenen pädagogischen Würde alles beachten, was das Handeln im Affekt erschwert. 9. Insbesondere empfiehlt es sich immer, in angemessener Entfernung vom Schüler zu bleiben. 10. Die wirksamsten Mittel, die Anlässe zur Anwendung von Strafen vermindern, sind gewissenhafte Vorbereitung, anregender Unterricht, strenge Selbstzucht.