3. Februar 1911

Lichtmeß! Der heutige 2. Februar führt im Volksmunde den Namen Lichtmeß. Eine alte Bauernregel sagt: Lichtmessen ist der Winter halb gemessen. Mit diesem Tage ist der Berg des Winters erstiegen. Im Herzen des Landmanns regt sich die Hoffnung auf den kommenden Frühling und die Freude auf das alsdann wieder beginnende Ackerwerk. Was aber bedeutet die verheißungsvoll klingende Bezeichnung Lichtmeß? Die meisten bringen dieselbe mit der besonders um diese Zeit bemerkbaren beträchtlichen Zunahme des Lichtes, d. h. der Tage, in Zusammenhang und meinen, dieselbe sei eben nun so auffällig und bedeutend, daß man sie, nach Stunden natürlich, messen, d. h. bemessen und berechnen könne. Indes, diese Deutung, so einleuchtend sie vielleicht zuerst erscheint, ist unzutreffend. Der Name Lichtmeß ist vielmehr kirchlichen Ursprungs. An diesem Tage nämlich werden in der katholischen Kirche während des Gottesdienstes (Messe) die zum kirchlichen Gebrauch bestimmten Kerzen durch Besprengung mit Weihwasser geweiht, woher die Feier und der ganze Tag den Namen Lichter-Messe erhielt, woraus Lichtmeß wurde. Wohl kaum gibt es einen Tag im ganzen Jahreslaufe, der nach dem Volksglauben von so einschneidender Bedeutung für das Naturleben wäre wie gerade der 2. Februar. Da Lichtmeß etwa in die Mitte zwischen Winters- und Frühlingsanfang fällt, so gilt dieser Tag als Grenzscheibe zwischen  der Winterbeschäftigung, dem Spinnen usw. und den ersten Frühlingsarbeiten im Garten und Feld, mit Hacke und Schippe. Verschiedene Bauernregeln knüpfen an Lichtmeß an. An diesem Tage darf nicht schönes Wetter sein, sonst gibt’s ein ungünstiges Jahr. Aus der Zeit, da es auch in Deutschland noch Wölfe gab, stammt die Wetterregel: Zu Lichtmeß sieht der Bauer lieber den Wolf im Schafstalle, denn die Sonne. Denselben Sinn, nämlich, daß am Lichtmeßtage nicht schönes Wetter sein darf, hat eine englische und auch friesische Sitte, an diesem Tage ein Bund Stroh zu einer weiblichen Figur zusammenzubinden und ins Freie zu stellen. Wir sie naß, so gibt’s ein gutes Jahr, bleibt sie dagegen trocken, so gibt es viele taube Aehren.