6. Juni 1901

Betreffs der körperlichen Züchtigung der Schulkinder hat die königl. Regierung zu Frankfurt a.O. auf Grund der im letzten Schuljahr darin gesammelten Erfahrungen  an die Kreisschulinspektoren kürzlich nachstehende, allgemeines Interesse erregende Verordnung erlassen. „Einzelne Lehrer haben auf die Ausübung der körperlichen Züchtigung überhaupt verzichtet. Hiergegen würde nichts zu erinnern sein, wenn festgestellt werden kann, daß durch sonstige geeignete Mittel eine gute Schulzucht aufrecht erhalten worden ist. Als Art der Züchtigung wurden in den Straflisten mehrfach Ohrfeigen verzeichnet gefunden. Wo dies beobachtet wird, ist von der zuständigen Schulaufsichtsstelle sofort mit ernsten Weisungen einzuschreiten. Eine solche Art der körperlichen Züchtigung ist in keinem Falle für statthaft zu erachten, sondern als grober pädagogischer Mißgriff abzustellen und zu untersagen. Mehrfach hat sich ergeben, daß die körperliche Züchtigung viel zu oft vollzogen wird, als daß sie noch als eine nur für Ausnahmefälle bestimmte Maßregel betrachtet werden oder den Schülern erscheinen könnte. Als Grund der Züchtigung wird oft ein durch Thatsachen nicht weiter belegtes und gerechtfertigtes Urtheil angegeben: „Wegen Faulheit, Ungehorsam, Unaufmerksamkeit und dergl.“ Dies ist nicht ausreichend und zur Prüfung und  Anerkennung der Nothwendigkeit der vollzogenen körperlichen Züchtigung ziemlich bedeutungslos. Es wird überall darauf hinzuwirken sein, daß der  zu Grunde liegende und für die Ausführung der Strafe bestimmend gewesene Thatbestand  genau in der Liste verzeichnet wird.“